Katalogtext »Bilder/Gehen - Salzburg/Berlin«
Ausstellung anlässlich der Ausstellung »Pera Moiser - Johannes Ziegler« Deutschvilla Strobl 2009
Liebe Petra -
»Es ist doch nie das drauf, was man gesehen hat!« , das sagt Philip Winter im
Wendersfilm »Alice in den Städten«, als er ein eben erst geschossenes
Polaroidfoto ansieht.
(Ähnlich geht es mir meist mit Katalogtexten.) Und so also die Entscheidung,
einen Brief zu schreiben. Das ist nun ausgemacht. Ein paar Zeilen nur, bevor
wir jemanden beauftragen eine Text zu schreiben. Über dich. Oder mich.
Gerade habe ich die Bilder durchgesehen, die für den Katalog in Frage
kommen könnten. Wie beim Kochen, so wird vorerst nicht über das Tun
nachgedacht. Die Zutaten und was daraus werden soll, wird gesichtet.
Es wird ausgesiebt, neu geordnet, ehemals aussortierte Motive wieder
hereingeholt. Ich bemerke, dass ich mich ausschließlich für Bilder ent-
schieden habe, die anlässlich meiner Spaziergänge entstanden sind.
Spaziergänge hier in Salzburg und nun seit einiger Zeit immer wieder
Spaziergänge in Berlin.
(Es kommt natürlich nicht von Ungefähr, dass mir dieser Film von Wim
Wenders im Kopf herumspukt. Philip, der, anstatt den vereinbarten
Zeitungsartikel abzuliefern mit einem Haufen Polaroidfotos im Büro seines Auftragsgebers auftaucht, sieht sich unverhofft in Begleitung der neunjährigen Alice. Es beginnt ein Roadmovie der Augen-Blicke.)
Doch wieder zurück zu den Bildern: Steine, ein leeres Lavoir, Blüten und S-Bahnpfeiler, Lichtreflexe im Wasser, ein Gegenstand (eine Hütte?) hinter einer vereisten (?) oder verschmutzten (?) Glasscheibe, Bojen in einem Spreehafen, ein Türmchen an der Bastei des Kapuzinerberges und Sportstätten. Immer und immer wieder daran vorbeigehen. Immer wieder aufmerken, innehalten. Festhalten, bis man den Kern meint begreifen zu können.
Mir fällt Pavese ein, wenn er meinte, dass der direkteste Weg zum Staunen der sei, unerschrocken immer den gleichen Gegenstand fest im Auge zu behalten. Auf einmal - wunderbar - würde uns dieser Gegenstand erscheinen, als hätten wir ihn niemals gesehen.
Ja und Nein. Fehlt in diesem Bild doch der notwendig unschuldige Blick, der Blick, der Gehenden eigen ist - die paradoxe Genauigkeit des peripheren Wahrnehmens. Du kennst ja die Szene, als Alice mit Philip nach Europa reist. Sie hält einen der gerade gemachten Schnappschüsse in der Hand, darauf zu sehen eine Flügelspitze des Flugzeuges über einem Wolkenmeer. Sie weiß über die Poesie des Offenlassens. Ich höre ihre versonnene und beinah trotzig-bestimmte Stimme. Sie sagt: »´s ist ein schönes Foto! ´s ist so leer!«