
Zeilen zu »flotsam and jetsam (Medusa)«, Ausstellung Bad Reichenhall
Die Welt der Bilder, die mich seit jeher begleiten, umkreist stets das Thema des
Blickes des Flaneurs und Wandernden. Es sind Fundstücke und Destillate, die in
Malereien, Zeichnungen oder fotografischen Bildern münden. Die aktuelle
Ausstellung »jetsam and flotsam (Medusa)« führt nun jene drei Medien in der Galerie
des Alten Feuerhauses Bad Reichenhall in einem Wechselspiel in einer Schau
zusammen, das unter dem Arbeitstitel »Medusaprojekt« in den Jahren 2016 - 2019
entstanden ist. In der speziellen architektonischen Vorgabe des ehemaligen
Funktionsraumes entsteht hier ein Kunstraum, in dem das Zusammenspiel
auf verschiedenen Ebenen ideal zur Geltung kommen kann.
Auslöser dieses Projektes waren Beobachtungen im Herbst 2015 am Höhepunkt der sogenannten »Flüchtlingswelle« am Österreichisch-Deutschen Grenzfluss Salzach, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen und die vorerst einmal fotografisch festgehalten wurden. Nach schweren Unwettern im Gebirge im Oberlauf des Flusses war Treibgut am Ufer angeschwemmt worden: Schwemmholz, ganze Baumstämme und kleineres Bruchholz, das in das Buschwerk der Böschung und des felsigen Ufers gedrückt und geworfen worden war, karges Geäst, geschliffen, geschabt und verstümmelt, Triebe, die gerade noch im Saft gewesen waren, die verzerrt, verdreht, und zerrissen dazwischen umher lagen und so für eine unbestimmte Zeit lang liegen bleiben würden im Irgendwo. Beinahe zeitgleich waren Hundertschaften von Flüchtlingen am Grenzübergang zwischen Österreich und Deutschland gestrandet – ungewiss, was ihnen bevorstehen werde, wurden sie dort provisorisch versorgt und in Notunterkünften untergebracht, verharrten bis auf weiteres an Böschungen am Straßenrand und an jenen des Grenzflusses.
Das Gesehene und Gesammelte wurde sortiert – das Projekt eines auf verschiedenen Ebenen angelegten Wechselspieles begann Form anzunehmen. Einige der am Fluss entstandenen Aufnahmen konnten als Fotoarbeiten verwertet werden. Bald jedoch tauchte ein weiterer Aspekt im Voranschreiten in diesem Vorhaben auf, der in den Überlegungen zu Wahrnehmung und der Erschütterung ob des Beobachteten weiter arbeitete. Ist das Bild einer Fotografie ein Einfrieren eines Augen-Blickes, der kürzer als ein Wimpernschlag ist, auch kürzer als das Unterscheidungsvermögen, über welches das Auge verfügt, so bildet sich in Wahrheit in der Erinnerung der Gegenstand aus den verschiedenen aufflackernden Einzelheiten des Gesehenen heraus.
So entstanden ausgehend von den fotografisch festgehaltenen Bildern in den kommenden Jahren Zeichnungen und Malereien, in denen Erinnertes, Gesehenes und Geschautes durch Zusammenfügen und Überlagern der einzelnen Teile und Blicke zusammen geführt wurden. Beinahe stilllebenartig wird in Gemälden und Zeichnungen das Momenthafte, das Verwaschene und Gestoßene, Geschliffene und Gezerrte der Trümmer an Bruchholz, das Geknickte und Gebündelte des Schwemmholzes aufgenommen. Sie werden nun in der Ausstellung in der Ausstellungshalle des Alten Feuerhauses in einem Dialog, der über literarisches oder anekdotisches hinaus geht zusammen geführt.
Trotz der Koinzidenz der Ereignisse die das ganze Vorhaben initiierten, sind die hier gezeigten Malereien, Zeichnungen und Fotografischen Arbeiten keine Kommentare zu jenen Ereignissen. Die Ausstellung umspielt Allgemeines, jenseits des »Auslösers« (eine Momentaufnahme), die einen Teil eines umfangreicheren Flusses bildet, der im Laufe der Jahre stets noch Stück um Stück breiter werden kann ...
Salzburg, November 2019